japanische Kunsthandwerker: Lackmeister, Töpfer und Waffenschmiede

japanische Kunsthandwerker: Lackmeister, Töpfer und Waffenschmiede
japanische Kunsthandwerker: Lackmeister, Töpfer und Waffenschmiede
 
Lackgewinnung, Töpferei, Bronze- und Eisenguss und Seidenraupenzucht waren zwar schon in vorbuddhistischer Zeit bekannt, aber erst die hoch entwickelte Kultur der chinesischen Tang-Zeit (7.-9. Jahrhundert) lehrte Japan, diese Fertigkeiten künstlerisch zu verfeinern. Von der Qualität und Internationalität des chinesischem Kunsthandwerks zeugen heute noch die mit persischen, indischen und zentralasiatischen Motiven dekorierten Metallgefäße, Gläser, Brokate und Lackarbeiten aus dem Besitz des Kaisers Shōmu, die dessen Witwe 756 dem Tōdaiji-Tempel in Nara vermacht und im Shōsōin-Speicher hatte verschließen lassen. Unter diesen Schätzen befinden sich schon einige japanische Arbeiten, aber erst als nach der Verlegung der Hauptstadt von Nara nach Kyōto (794) die zuvor in staatlichen Betrieben organisierten Handwerker für einzelne Tempel und Adelsfamilien zu arbeiten begonnen hatten, entwickelten sich typisch japanische Herstellungsmethoden und Formqualitäten.
 
Die Metallverarbeitung erreichte in den ziselierten, getriebenen, gravierten, gepunzten und vergoldeten Gegenständen des buddhistischen Altargeräts und Figurenschmucks einen Höhepunkt und wurde später nur noch durch den Zierrat der Waffen und Rüstungen übertroffen. Das gekrümmte Schwert mit einschneidiger Stahlklinge (»nihontō«) löste schon im 9. Jahrhundert das vom Festland übernommene, zweischneidige Schwert ab. Der Schwertfeger schmiedete die scharfe Klinge eigenhändig in einem rituellen Akt. Er war der erste Handwerker, der seine Erzeugnisse mit seinem Namen zeichnen durfte. Die Militärherrschaft der Shōgune, die zur Verlegung des Regierungszentrums von Kyōto nach Kamakura (1190) und schließlich nach Edo (1603) führte, entmachtete die Hofaristokratie und stellte den Schwertadel (»buke«) an die Spitze der Gesellschaft. Dieser sorgte dafür, dass der Schwertschmuck aus Edelmetallen an Griff, perforiertem Stichblatt (»tsuba«), Knauf, Zwinge und Scheide immer prächtiger wurde. Während der langen Friedenszeit der Edo-Periode wurde das Schwert vollends zum Schmuckstück und Statussymbol des Samurai, der damit seine Wehrhaftigkeit mehr repräsentierte als praktizierte.
 
Der aus dem Lackbaum gewonnene Lacksaft hat die Eigenschaft, nach langsamem Trocknen eine wasser- und säurefeste sowie hitzebeständige Schutzschicht zu bilden. In China waren Gegenstände aus Lack über geschnitztem Holzkern schon im 1. Jahrtausend v. Chr. künstlerisch gestaltet worden. Mit gefärbtem Lack bemalte und mit Perlmutteinlagen gezierte Polierlacke im Shōsōin-Speicher zeugen von der Prachtentfaltung der chinesischen Lackkunst des 8. Jahrhunderts. Aber schon seit dem 10. Jahrhundert entwickelten die Werkstätten in Kyōto den Goldlack, der in China keine Entsprechung hatte. Das »Streubild« (»maki-e«) wird mit Gold- und Silberpulver auf den Schwarzlack aufgetragen und danach mit einer weiteren Lackschicht überdeckt. Nachdem diese wegpoliert wurde, erschien der Dekor auf der spiegelglatten Lackoberfläche. Der Schwarzlack kann, zusätzlich mit dünnerem Goldpulver besprenkelt, die golden schimmernde Oberfläche des »Birnenhaut«-Grunds (»nashiji«) annehmen. Seit dem 14. Jahrhundert tritt neben den Flachlack die Relieflacktechnik (»takamaki-e«), die sich besonders zur Wiedergabe bildhafter Motive aus der Yamato-e-Malerei eignet. Schreibkästen für Pinsel und Tusche oder Briefpapier, kleine Schreibtische, Etageren, Picknickgeräte sowie Toilettensets in Gold- und Silber-Relieflack gehörten zum Haushalt des Adels und später auch des reichen Bürgertums. Mehrfarbige Muscheleinlagen in exotischen Mustern schmückten die Südbarbaren-Lacke, die Portugiesen, Spanier und Holländer im 17. Jahrhundert in Kyōto anfertigen ließen. Auch chinesische Methoden der Bemalung und Gravierung sowie der rote Schnitzlacke fanden ihre japanischen Nachahmer. Mit Blei, Zinn, Korallen und Elfenbein eingelegte Bildmotive auf Schreibkästen entsprachen dem extravaganten Geschmack edozeitlicher Kunstliebhaber. Aber auch der männliche Gürtelschmuck der Medizinbüchsen (»inrō«) und Schmuckknöpfe (»netsuke«) entsprach höchsten künstlerischen Ansprüchen. Zu den Designern der Lackarbeiten gesellten sich seit dem späten 16. bis zum späten 19. Jahrhundert auch so berühmte Teemeister, Kalligraphen und Maler wie Honami Kōetsu, Furuta, Oribe, Ogata Kōrin, Ogawa Ritsuō und Shibata Zeshin.
 
Die Bedeutung, die das Porzellan für China hatte, kam in Japan lange Zeit dem Lack zu. Da der Adel aus Lackgefäßen speiste oder sich chinesischer Importporzellane bediente, deckte die grobe, seit der Kofun-Zeit (4. bis 7. Jahrhundert) hergestellte Ware aus den Brennöfen von Sue und Haji lange den Bedarf an Alltagskeramik. Erst nach Toyotomi Hideyoshis Korea-Feldzug (1592-98) haben koreanische Töpfer in Karatsu und Hagi auf Kyūshū die strengen Formen der koreanischen Volkskeramik eingeführt und mit der Herstellung der Karatsu- und Hagi-Ware begonnen. Sie veränderten den zuvor chinesisch geprägten Geschmack der Teemeister, die nunmehr Gefallen an rustikalen Formen und Dekoren einheimischer Produkte fanden. In den Öfen von Seto (nördlich von Nagoya ) entstand das Steinzeug der Oribe- und Shino-Ware für Teedosen, Teeschalen, Wasserbehälter und Blumenvasen der Tee-Zeremonie. Der Töpfer Chōjirō (* 1515, ✝ 1592) erfand in Kyōto eine schwarze oder rötliche Teekeramik (»raku-yaki«), die der Teemeister Sen no Rikyū bevorzugte. Stücke mit missglückter Form aus deformierenden Fehlbränden, frei geflossenen Glasuren oder naiven Dekoren wurden zunächst unter der Gebrauchsware entdeckt und zum Teegerät erkoren. Später wurden die Qualitäten dieser zufällig entstandenen Kunstwerke im Auftrag der zuweilen selbst töpfernden Teemeister absichtlich hervorgebracht. Aber auch mit Schmelzfarben bemaltes Steinzeug und Porzellan im Stil von Liebhabertöpfern wie Nonomura Ninsei, der im 17. Jahrhundert tätig war, Ogata Kenzan (* 1663, ✝ 1543) und Ninnami Dōhachi (* 1783, ✝ 1855) fanden in der Tee-Zeremonie Verwendung. Die Teegeräte aus dem Besitz berühmter Teemeister werden in Japan noch heute wie Kultgegenstände verehrt.
 
China besaß seit dem 9. Jahrhundert das Monopol auf das »weiße Gold«, das Porzellan, das es in den Orient, nach Japan und später auch nach Europa exportierte. Noch einhundert Jahre bevor es 1720 Johann Friedrich Böttger gelungen war, das Hartporzellan nachzuahmen, waren japanische Töpfer in der Lage, Porzellan in großen Mengen zu produzieren und neue künstlerische Maßstäbe zu setzen. Ein Koreaner hatte im frühen 17. Jahrhundert unweit des Hafens Imari bei Arita Kaolinerde entdeckt. Damit begann auch Japan in großem Umfang mit der Herstellung von Porzellan, das zuerst mit Unterglasurblau, dann auch mit mehrfarbiger Überglasurmalerei dekoriert war. Zwischen 1659 und 1740 belieferte Japan in Konkurrenz zu China die in Nagasaki ansässige holländische Ostindische Kompanie mit Exportware für den europäischen Markt. Die auf weißem Grund stehenden, strahlenden Dekore des im Stil des Sakaida Kakiemon mit Schmelzfarben bemalten Imari-Porzellans übertrafen sogar das chinesische Porzellan und wurden in Meißen und Chantilly nachgeahmt. Andere Brennöfen in Kutani, Hirado und Nabeshima, die für den einheimischen Bedarf arbeiteten, wurden erst im 19. Jahrhundert im Westen bekannt. Während der chinesische Töpfer in den riesigen chinesischen Porzellanmanufakturen anonym blieb, haben die japanischen Töpfer ihre Werke signiert und als einzelne Kunstwerke auf den heimischen Markt gebracht.
 
Das Kunsthandwerk erfreute sich in Japan seit jeher einer höheren Wertschätzung als in China, wo Kalligraphen und Maler aus der Oberschicht schon früh zwischen angewandter und reiner Kunst unterschieden. In Japan waren es Kalligraphie, Dichtung und Musik, die zu den edlen Künsten der Elite gehörten, während die Malerei von Spezialisten beruflich ausgeübt und über Generationen tradiert wurde. Maler und Kunsthandwerker standen im Dienst des Klerus, des Hof- und Feudaladels und seit dem 17. Jahrhundert auch des reichen Bürgertums. Sie waren von ihren Patronen abhängig, wurden von diesen dafür aber auch geschützt und gefördert. Da die Maler im Auftrag ihrer Sponsoren häufig auch die Entwürfe für Keramikdekore, Lacke oder Textilmuster liefern mussten, kam es zu einer ungewöhnlich fruchtbaren Zusammenarbeit von Designern und Handwerkern. Die Reformer der englischen Arts-and-Crafts-Bewegung, des französischen Art Nouveau und des Jugendstils beriefen sich nicht zufällig auf Japan, als sie Kunst und Handwerk wieder zusammenführen wollten.
 
Prof. Dr. Doris Ledderose-Croissant
 
 
Elisseeff, Danielle und Elisseeff, Vadime: Japan. Kunst und Kultur. Ins Deutsche übertragen von Hedwig und Walter Burkart. Freiburg im Breisgau u. a. 21987.

Universal-Lexikon. 2012.

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